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FAQ

Welches ist die Verbindung zwischen Mikrobiota und Schlaf? Ist diese Bindung schon wichtig in den ersten Lebenstagen?

Zunehmend zeigt die Forschung mit Erwachsenen- und Tierstudien, dass der Schlafrhythmus und die Schlafqualität Verbindungen zu den Darmbakterien zeigen. In unserer Studie hatten diejenigen Kinder mit „unreiferem“ Schlaf auch eine „unreifere“ Darmflora. Diese Messungen wurden mit gesunden Säuglingen im Alter von 3, 6, und 12 Monaten gemacht. Die Resultate zeigen beispielsweise, dass eine weniger vielfältige Darmflora im Zusammenhang steht mit proportional mehr Schlaf tagsüber. Mehr Tagesschlaf bedeutet in diesem Alter ein generell „unreiferes“ Schlafmuster, weil die Tagesschläfchen als gradueller Prozess mit zunehmendem Alter abnehmen. Ebenso bedeutet eine weniger vielfältige Darmflora in diesem Alter ein eher unreiferes Muster, denn die Vielfalt der Darmbakterien entwickelt sich besonders in den ersten drei Lebensjahren rapid.

Was sind Darmbakterien, woher kommen sie und wozu dienen sie?

Bakterien sind die kleinen Helfer an und in unserem Körper, die meisten bewohnen den gastrointestinalen Trakt. Ihre primäre Aufgabe ist die Unterstützung der Verdauung von Nahrung, um Energie für den Körper verfügbar zu machen. Ungefähr genausoviele Bakterienzellen bewohnen uns wie wir körpereigene menschliche Zellen haben. Das Ökosystem der Darmbakterien ist sehr komplex und dynamisch. Sein Aufbau geschieht in den ersten 3 Lebensjahren, erst dann ist es vergleichbar mit der Bakterienvielfalt von Erwachsenen. Darmbakterien stehen in Kommunikation mit dem Hirn, sie produzieren wichtige Neurotransmitter, z.B. Serotonin – also ein Botenstoff der nicht nur im Hirn, sondern auch in der Peripherie vorkommt. Darmbakterien sind wichtig für die Gesundheit und verändern sich bei Krankheiten, so sind sie zum Beispiel verändert im Zusammenhang mit Angststörungen oder Depression, aber auch bei Gastrointestinalen Krankheiten, z.B. beim Reizdarmsyndrom. Ihr Aufbau wir durch unsere Lebensweise bestimmt, durch Ernährung, Antibiotika, Lifestyle, sowie das direkte Umfeld (z.B.Haushalt). Vor Kurzem wurde erkannt, dass sie sich auch mit dem Tagesrhythmus verändern, und durch den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst werden.

Wie sorgt man für gute Mikrobiota seines Babys (und vielleicht so auf ruhige und erholsame Nächte für die Eltern)? Sollten Eltern nicht besser informiert werden

Direkt kann man aus dem aktuellen Wissensstand leider noch keine konkreten Empfehlungen ableiten. Es gibt jedoch Hinweise, dass bereits ein möglichst regelmässiger Tagesrhythmus eine Schlaf-Wach-Rhythmusfindung der Babys unterstützen kann. Dies beinhaltet nebst Bettzeiten auch die möglichst regelmässige Einnahme der Mahlzeiten.

Wir tun täglich unser Bestes, um die Ergebnisse in die Medien und die sozialen Medien zu bringen, haben einen dreisprachigen BLOG und nehmen regelmäßig an öffentlichen Diskussionsforen teil. Wir bemühen uns, Erklärvideos  zu erstellen, um News in Kurzform für die Gesellschaft und andere Forscher visuell greifbarer zu machen.

Was sind Ihre neusten Erkenntnisse ? Und wozu sind diese Erkenntnisse brauchbar?

Die Schlaf-Darm-Hirn Verbindung besteht bereits im ersten Lebensjahr, und ist besonders stark im Alter von circa 3 Monaten. Die Reifung der Schlafregulation ist verbunden mit der Reifung des Darmmikrobioms und beides hängt mit der Entwicklung des Verhaltens zusammen. Dies haben wir mithilfe von 160 Familien und Babys untersucht, was ein Riesenaufwand von bisher 6 Jahren Forschung bedeutet. Wir arbeiten mit Experten in Mikrobiologie und Gastroenterologie zusammen um einen fundierten Gesamtblick zu schaffen.

Wir schaffen Grundlagen zu der Frage wie sich der Schlafrhythmus entwickelt. Der Extremfall von chronisch zu wenig Schlaf in der Entwicklungsphase wurde anhand von Tierstudien untersucht und zeigte als Konsequenz spätere Änderungen in Verhalten und Hirnstruktur. Die Wachstumsphase ist sensitiv, wobei auch die Darmbaktieren relevant sind für eine gesunde Entwicklung. Chronische Mangelernährung wirkt sich auf Darmbakterien aus und zeigt ähnliche Folgen wie chronischer Schlafmangel. Es ist also wichtig, Normdaten zu schaffen um zu erkennen welche konkreten frühen Faktoren auf die Entwicklung einwirken. Damit schaffen wir den Transfer, wenn es Probleme gibt und können die unterstützenden Faktoren bezüglich Schlaf und Ernährung individuell angehen.

Ihre Forschung beinhaltet eine starke Bindung zu den Familien. Hat die Gesundheitskrise Ihre Erfahrung erschwert?

Die Pandemie hat unsere Arbeit enorm herausgefordert, da wir auf Mithilfe der Gesellschaft und insbesondere von Familien angewiesen sind. Viele Familien nehmen in unseren Studien langzeitlich teil, und machen im Verlauf der Entwicklung der Kinder mehrmals bei unseren Messungen mit. Wir haben zwischenzeitlich Online-Umfragen durchgeführt, wo wir untersuchten wie sich der Schlaf der Kinder aufgrund des Lockdown verändert hat. Uns hat riesig gefreut, dass sehr viele Familien auch online teilgenommen haben, was neue Einblicke in den Schlaf wärehnd der Pandemie ermöglicht hat.

Welches ist die wichtigste Erkenntnis aus den Studien zur Pandemie? Gibt es etwas, das Sie an den Resultaten überrascht hat?

Die Pandemie ist/war eine gesundheitliche Ausnahmesituation, welche auch den Schlaf von Kleinkindern und Babies beeinflusste. Unsere Resultate zeigen negative Sekundärkonsequenzen des Lockdows in verschiedenen Bereichen der Schlafqualität von Babys und Kleinkindern. Aber die Resultate zeigen auch, dass wir durchaus Möglichkeiten haben, selber Einfluss auf die Konsequenzen zu nehmen um die Situation zu verbessern, z.B. durch Ausüben von Achtsamkeitstechniken.

Erstens zeigten Studien mit Erwachsenen eine Verlängerung der Schlafdauer am Anfang des Lockdowns, wohingegen die Babys in unserer Studie eine kontinuierliche Kürzung des Schlafs erfuhren. Zweites hat sich innerhalb weniger Monate die Schlafqualität wieder auf dasselbe Niveau begeben, wie es vor der Pandemie eingeschätzt wurde. Drittens, je mehr Zeit die Eltern mit den Kindern verbrachten, desto kürzer wurde die Einschlafzeit eingeschätzt und desto weniger unterbrochen war der Schlaf – was also eine bessere Schlafqualiät der Kinder bedeutet.

Inwiefern hat sich das Schlafverhalten bei Kindern während des Lockdowns verändert?

Wir haben die Einschätzung der Eltern im April 2020 in zwei altersspezifischen Gruppen ausgewertet. Dabei wurde eine akute Verschlechterung der Schlafqualität in beiden Gruppen deutlich. Babies hatten im Schnitt um 8 Minuten längere Einschlafzeiten, um 22 Minuten spätere Bettzeiten und um 7 Minuten kürzeren Schlaf. Ähnliches wurde bei Kindern im Vorschulalter beobachtet, mit weniger regelmässigen Bettzeiten, vermehrt längerer Einschlafzeit, unregelmässigerer Schlafdauer und vermehrtes Aufwachen. Die Langzeitbeobachtungen im Mai und Juni 2020 ergaben unterschiedliche Verläufe. Babys hatten die Einschlafzeit bereits nach 1 Monate wieder normalisiert, jedoch blieb die Schlafdauer weiterhin etwas verkürzt. Bettzeit und Aufwachen blieben unverändert. Im Vorschulalter wurden die Bettzeiten wieder mehr regelmässig im Langzeitverlauf und die Einschlafzeit wieder kürzer, jedoch blieb die Regelmäßigkeit von Schlafdauer und Aufwachen unverändert.

Welche Kinder waren besonders stark betroffen?

Forscherkollegen in Israel zeigten, dass 35% der Mütter eine verkürzte Schlafdauer ihrer Babys beobachteten. Zudem hing das Auftreten von mütterlichen Angstgefühlen mit einer kürzeren Schlafdauer der Kinder zusammen. Unsere Resultate zeigen, dass Babys eine kostante Verkürzung der nächtlichen Schlafdauer von insgesamt 29 Minuten erfuhren. Dies verdient Beachtung, denn generell findet bis im Alter von etwa 3 Jahren eine Verlängerung der nächtlichen Schlafdauer statt. Dieses Alter umfasst wichtige Entwicklungs- und Lernphasen, in welchen sich das Hirn verändert und für diese neuronalen Prozesse die Erholung im Schlaf braucht.

Gibt es Langzeitfolgen, die der Lockdown in Sachen Schlaf bei Kindern hervorgebracht hat?

Eine Normalisierung im Verlauf der Restriktionen fand nur teilweise statt, zum Beispiel nicht in der nächtlichen Schlafdauer der Babys. Es galt, eine Angewöhnung an den neuen Rhythmus zu finden, und sich innerhalb der Familien aufgrund der Restriktionen neu zu organisieren. Je nach individueller Situation war das mehr oder weniger möglich.

Wir haben die Möglichkeit, uns auch mit sehr heraufordernden Situationen abfinden zu lernen. Dazu brauchen wir Informationen mit einer wissensschftlicher Basis, und das Wissen, welche Methoden effektiv schützend sind. Sehr wichtig ist die öffentliche und transparente Verbreitung dieser Information an die Gesellschaft mit uneingeschränktem Zugang für jedermann/frau. Zudem sollen die besonders Gefährdeten professionelle Unterstützung erhalten.

Welche Einsichten erhoffen Sie sich als Nächstes?

Das mehrköpfige Team arbeitet mit der Unterstützung vieler Master- und Bachelorstudenten an unterschiedlichen Vertiefungen im Bezug auf Schlaf, z.B. welche Rolle die Ernährung spielt, wie man Kindern mit Regulationsstörungen unterstützen kann, welche Rolle der Rhythmus in der Schwangerschaft spielt etc. Zudem werten wir weiterhin Daten aus, welche sich um die Konsequenzen der Pandemie drehen, um damit Schutzfaktoren zu identifizieren, und diese als konkrete Empfehlungen an die Gesellschaft weitergeben zu können.

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