Methoden Wissenschaftsjournalismus

Die Entwicklung der Darmbakterien

Text Sarah Schoch und Salome Kurth

Unser Körper wird durch Billionen von Bakterien besiedelt, welche mit unserer Gesundheit wechselwirken. Die große Vielfalt der Bakterien in unserem Darm baut sich in den ersten Lebensjahren auf. Wir möchten erforschen, ob es in der frühen Kindheit einen Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Darmbakterien und dem Schlaf-Wach-Rhythmus gibt. 

Unser Körper wird von mindestens so vielen Bakterien (ca. 40 Billionen) bewohnt, wie wir eigene menschliche Zellen besitzen (1). Die meisten dieser Bakterien sind in unserem Darm angesiedelt, wobei es sich um über 1000 verschiedene Spezies handelt (2).

Die Darmbakterien tragen zu unserer Verdauung bei – sie können gewisse Nährstoffe, beispielsweise Zellulose (3), die wir nicht verdauen können, in andere Stoffe umwandeln, die wir dann aufnehmen können. Interessante Forschung des letzten Jahrzehnts hat zudem gezeigt, dass die Darmbakterien unsere Gesundheit beeinflussen. So haben die Darmbakterien einen Einfluss auf unser Immunsystem(4) und können uns vor anderen schädlichen Bakterien schützen (5).

Im Verlauf des Lebens unterlaufen die Darmbakterien einen Entwicklungsprozess. 

Bei der Geburt wird das Neugeborene mit den Bakterien der Mutter besiedelt. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Darmbakterien-Zusammensetzung, z.B. die Geburtsweise (6) oder die Einnahme von Antibiotika. Ein weiterer Faktor ist die Nahrung. So gibt es Unterschiede zwischen Kindern, die gestillt werden und denjenigen, welche Muttermilchersatz trinken (7). Auch das Abstillen führt zu einer Veränderung in der Zusammensetzung der Darmbakterien, sodass diese sich schrittweise der Zusammensetzung von Erwachsenen angleicht (8). Erwachsene zeigen eine größere Artenvielfalt, mehr Stabilität und weniger Unterschiede zwischen Personen als Babys, siehe Abbildung 1 (9).

Abbildung 1. Die Diversität und Stabilität der Darmbakterien ist gross bei Erwachsenen und niedrig bei Kindern. Die Unterschiede zwischen Babys sind dafür sehr groß, wohingegen Unterschiede zwischen Erwachsenen kleiner sind. Angepasst nach (9).

Tierstudien zeigen, dass viele der Darmbakterien einen Tagesrhythmus haben (10). 

Durch Experimente die eine Störung der inneren Uhr verursachen (also eine Art „Jetlag“), konnte man diese Rhythmen der Darmbakterien manipulieren. Insbesondere war der Effekt da, wenn die Tiere eine fett- und zuckerreiche Diät zu sich nahmen (11).Eine andere Studie zeigt, dass eine Störung des Schlafs nicht nur Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmbakterien, sondern auch in ihrer Aktivität verursacht (12). Bei Erwachsenen gibt es erste Studien, die einen Zusammenhang zwischen Darmbakterien und dem Tages-Rhythmus berichten (13). 

Wir erforschen nun, ob die Darmbakterien von Babys einen Zusammenhang mit der Entwicklung ihres Schlafrhythmus aufweisen. Dies ist ein wichtiges Puzzlestück um die Entwicklung des Schlaf-Wach-Rhythmus besser zu verstehen und dieses Wissen für die Gesundheitsförderung anwenden zu können.

Referenzen

Photo Derek Owens on Unsplash
1. R. Sender, S. Fuchs, R. Milo, Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body. PLoS Biol 14, e1002533 (2016).
2. J. Qin et al., A human gut microbial gene catalogue established by metagenomic sequencing. Nature 464, 59-65 (2010).
3. M. Rajilic-Stojanovic, Function of the microbiota. Best Pract Res Clin Gastroenterol 27, 5-16 (2013).
4. T. Vatanen et al., Variation in Microbiome LPS Immunogenicity Contributes to Autoimmunity in Humans. Cell 165, 842-853 (2016).
5. C. M. Theriot et al., Antibiotic-induced shifts in the mouse gut microbiome and metabolome increase susceptibility to Clostridium difficile infection. Nat Commun 5, 3114 (2014).
6. M. G. Dominguez-Bello et al., Delivery mode shapes the acquisition and structure of the initial microbiota across multiple body habitats in newborns. Proc Natl Acad Sci U S A 107, 11971-11975 (2010).
7. H. J. Harmsen et al., Analysis of intestinal flora development in breast-fed and formula-fed infants by using molecular identification and detection methods. J Pediatr Gastroenterol Nutr 30, 61-67 (2000).
8. F. Backhed et al., Dynamics and Stabilization of the Human Gut Microbiome during the First Year of Life. Cell Host Microbe 17, 690-703 (2015).
9. E. S. Lim et al., Early life dynamics of the human gut virome and bacterial microbiome in infants. Nat Med 21, 1228-1234 (2015).
10. X. Liang, F. D. Bushman, G. A. FitzGerald, Rhythmicity of the intestinal microbiota is regulated by gender and the host circadian clock. Proc Natl Acad Sci U S A 112, 10479-10484 (2015).
11. R. M. Voigt et al., Circadian disorganization alters intestinal microbiota. PLoS One 9, e97500 (2014).
12. S. J. Bowers et al., Repeated sleep disruption in mice leads to persistent shifts in the fecal microbiome and metabolome. PLoS One 15, e0229001 (2020).
13. Y. Alvarez, L. G. Glotfelty, N. Blank, L. Dohnalova, C. A. Thaiss, The Microbiome as a Circadian Coordinator of Metabolism. Endocrinology 161, (2020).